Das Ruhrgebiet als Radtourenregion? Oh ja! Der „Pott“ ist heute alles andere als trist und grau. Tatsächlich kann man, obwohl manche Städte direkt ineinander übergehen, viel an Flüssen wie Ruhr oder Emscher entlang rollen oder auf ehemaligen Bahntrassen, die sich durchgehend flach bis steigungsarm und oft grün eingefasst in langen Geraden dahinziehen. Das heißt auch: Man kann hier sehr viel autofrei und im Grünen unterwegs sein.
Grundsätzliches zur Route der Industriekultur zwischen Duisburg und Essen
Wer etwas Überblick über das ehemalige industrielle Herz Deutschlands – und wie viel Natur und Kultur daraus erwachsen ist – gewinnen will, sollte aber auch die zwei Halden auf unserer Route erklimmen. Auf diesen künstlichen Hügeln aus dem Abraum der Bergwerke stehen weithin sichtbare architektonische Schmankerl, die oft an die Industrie- und Ingenieurskunst des letzten Jahrhunderts erinnern. Wir haben zwei Spektakuläre von ihnen ausgesucht, mit dem Ersten startet die Tour.
Grundsätzlich sind die Routen in dieser Region sehr gut ausgeschildert, man kommt auch ohne Navi-Track zurecht. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, sich vorher zum Beispiel auf der Seite www.route-industriekultur.ruhr oder www.ruhr-tourismus.de seine Wunschziele auszusuchen und schon mal zu einer Reihenfolge zu verbinden. Auch Übersichtskarten kann man hier herunterladen oder bestellen. Wir haben uns selbst einen GPS-Track mit den größten Sehenswürdigkeiten der Tour zusammengestellt, welche wir hier nun vorstellen.
Startpunkt: Duisburg, Ehringerstraße.
Wer mit dem Auto ankommt, findet hier direkt am Fuß der Halde einen Parkplatz. Bahnfahrer nehmen vom Hauptbahnhof aus die Stadtbahn Nummer 903 zur Haltestelle Tiger & Turtle – wochentags kann man ab 09:00 Uhr ein Rad oder E-Bike mitnehmen, am Wochenende ganztägig.
Spiralförmig rund um den Hügel geht es einen Kilometer hinauf bis zur Stahl-Skulptur, eine verspielt arrangierte, begehbare Achterbahn. Keine Angst: Durch den mittigen Looping klettert man nicht. Trotzdem macht die „Fahrt“ eine Menge Spaß. Die Logik wird auf den Kopf gestellt – so meinten zumindest die Planer, die sich 2010 Tiger und Schildkröte ausdachten.
Der Blick über die Landschaft aus 20 Metern über der Halde ist bei gutem Wetter grandios: Richtung Süden erkennt man sogar Düsseldorf. Und auch nachts ist das Kunstwerk ein Erlebnis, da es weithin sichtbar angestrahlt wird.
Von der aufregenden Achterbahn zum Duisburger Innenhafen führt die Strecke durch den Duisburger Süden, sie ist nicht Teil der Industriekultur-Fahrradrouten und leider nicht immer verkehrsarm. Dafür bekommt man viel klassische Pott-Architektur zu sehen: Alte Industriearbeiterhäuschen säumen oft die Straße, und man fühlt sich ein bisschen ins „alte“ Ruhrgebiet zurückversetzt.
Duisburger Innenhafen - zwischen Industrie und Kunst
Der Duisburger Innenhafen ist ein imposantes Industriedenkmal. Eine faszinierende Geschichte, die erzählt, wie Industrie zur Kultur werden kann. Früher großer Industriehafen, ist er zu einer Synthese von Leben, Freizeit, Wohnen, Arbeiten und Kultur geworden und heute selbst ein architektonisches Kunstwerk, das beweist, wie gut das alles oft zusammenpasst. Am besten überzeugt man sich selbst durch einen Rundgang. Wer sich die Zeit nicht nehmen kann, kürzt einfach über eine der Brücken ab und umrundet nur die nördlichen Teile des Innenhafens. Von eindrucksvollen architektonischen Fotospots wimmelt es hier nur so. Etwas versteckter liegt die riesige, nach Osten gerichtete Mauer des Küppersmühle-Anbaus. Das bekannte Kunstmuseum und sein im Herbst 2021 eröffneter Neubau sind übrigens nicht nur wegen der Ausstellungen zur modernen Kunst, sondern auch aufgrund der Architektur einen Besuch wert.
Was „Hafen“ heute noch bedeutet, erleben wir auf dem nächsten Stück der Route über den Standort der Duisburg-Ruhrorter Häfen. Das zusammenhängende Areal ist der größte Binnenhafen Europas und sitzt am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr. Kurz auf der Karl-Lehr-Brücke anhalten und einen Blick hinunter werfen lohnt sich.
Wir überqueren noch den Eisenbahnhafen und fahren am interaktiven Museum der Deutschen Binnenschifffahrt an der Deichstraße vorbei. Dann wird es ruhiger, wir rollen entspannt den Rhein entlang und man kann den Blick in die Ferne schweifen lassen. Am Horizont sieht man malerisch die alte Eisenbahnbrücke.
Landschaftspark Duisburg-Nord - einer der schönsten Stadtparks des Welt
Nach einer kleinen Pause auf einer der Bänke mit Rheinblick fahren wir nun in Richtung Landschaftspark Duisburg-Nord, von den Duisburgern auch “Lapano” genannt. Grüne Lunge, Naherholungsgebiet, Freizeitzentrum, Abenteuerspielplatz und Treffpunkt für alle. Das ehemalige Hüttenwerk wird zu den schönsten Stadtparks der Welt gezählt. Am besten mit dem Fahrrad kreuz und quer durch die Areale fahren, die Fantasie spielen lassen und entdecken! Neben dem begehbaren Hochofen – ganze 55 Meter Höhe wollen über Stahlstufen erklommen werden – gibt es hier stark besuchte Kletterlandschaften in der Erz-Bunkeranlage, einen Höhenkletterparcours im Hochofen, ein Tauchbecken im Gasometer, ein Freiluft-Kino, aber vor allem auch viele spannende Ecken und Winkel, um mit der Familie oder Freunden zu grillen und zu chillen. Entsprechend gut besucht ist der Park im Frühjahr und Sommer am Wochenende. Und wer sich für die Industriegeschichte und Technik interessiert, der kann sich im Info-Zentrum im ehemaligen Hauptschalthaus am Eingang über Führungen informieren.
Grüner Pfad und Rhein-Herne-Kanal
Direkt durch den Landschaftspark Duisburg-Nord führt auch der wunderschöne Grüne Pfad, der uns die nächsten Kilometer autofrei durchs Grüne führt, obwohl wir uns doch gerade in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Deutschlands befinden. Dann folgen wir der Emscher. Die gepflegten, meist mit Kies belegten Wege sind charakteristisch für die Route Industriekultur.
Anschließend geht es neben dem Rhein-Herne-Kanal weiter zu einem Abstecher zu Architektur gewordener Fantasie: Die Slinky Springs to Fame, eine Fußgänger- und Fahrradbrücke, die scheinbar aus einer Spiralfeder besteht und scheinbar locker über dem Kanal hängt. Drüber gehen ist ein Erlebnis – für Fotografen ohnehin. Und im Sommer ist hier - an den beiden Ufern des Rhein-Herne-Kanals - mächtig was los.
Gartenfreunde schauen sich noch den Kaisergarten an, einen Kleintierzoo gibt es auch noch daneben.
Wer nicht zur aktuellen Ausstellung im riesigen Veranstaltungsort Gasometer Oberhausen will, fährt anschließend zurück auf die andere Kanalseite, um unser zweites Haldenziel anzusteuern: Die Halde Bottrop Beckstraße. 90 Meter hoch und über acht Serpentinen oder den ruhigeren Wegen außen herum per E-Bike gut zu erklimmen. Auf der flachen Hochebene steht die vielleicht bekannteste Landmarke: der Tetraeder. Die Silhouette einer dreibeinigen Pyramide mit drei ringförmigen Aussichtsdecks, das oberste auf satten 38 Metern Höhe. Ziemlich majestätisch wirkt das Stahlgebilde. Nicht alle Besucher wagen tatsächlich einen Aufstieg. Aber auch hier lohnt er sich, immerhin ist man hier hoch über der Umgebung: da wirkt die rund einen Kilometer entfernte Skihalle Bottrop wie aus Bauklötzchen. Anschließend geht es zurück an die Emscher, erst links von ihr, dann rechts, wo wir auch wieder auf den Rhein-Herne-Kanal treffen.
Pommes und Pause im Nordstern-Park
Weiter geradeaus und einen Abstecher zum Nordstern-Park? Das Gelände der Landesgartenschau 1997 ist in den Jahren seither zur ersten Gelsenkirchener Adresse für Erholen, Genießen und mittlerweile auch Wohnen geworden. Im großen Biergarten gegenüber des alten Zechengebäudes gibt es diverse Varianten der originalen Ruhrgebiet-Pommes, ganz ursprünglich. Hier sitzt man vor allem an Wochentagen mit “Ruhrpottlern”, die mal kurz ins Grüne wollten oder auch in einem der großen, ehrwürdigen und neu genutzten Gebäude ringsum arbeiten.
Für die Rückfahrt gibt es viele einfache Alternativen, da man nicht weit vom Förderturm die Bahn-Station Zollverein Nord erreichen kann (Achtung E-Biker: kein Aufzug!). Wir sind in die Regionalbahn 32 zum Hauptbahnhof Duisburg gestiegen. Von dort führt eine Straßenbahnlinie direkt zur Haltestellte Tiger und Turtle. Ein letzter Blick hinauf: “Schön war’s!”
Mit welchem Rad waren wir unterwegs?
Ausgerüstet mit einem Shimano "Steps E6100" Motor für harmonischen Vortrieb, einem 504-Wh-Akku, hydraulischen Scheibenbremsen und der elektronischen Shimano "Nexus" 5-Gang Di2 Schaltung lässt unser Touring-Pedelec keine Wünsche mehr offen. Egal ob über Feldwege oder Asphalt - der Komfort überzeugt und macht das eTouring 11.7 zum perfekten Begleiter für die nächste Radtour oder Trekkingausfahrt.
Die Zeche Zollverein
Danach überqueren wir Emscher und Rhein-Herne-Kanal nochmals: Auf zur letzten Station unserer Route. Wir genießen dabei eine der schönsten Erfindung, seit es Infrastrukturwandel gibt: Industriewege und Bahngleise zu faszinierend schönen Radwegen zu machen und das Ganze immer wieder mal mit einem gewundenen Waldweg zu verbinden. Hier rollt es sich herrlich! Nach etwa sieben Kilometern erreichen wir das wohl bekannteste Industriedenkmal Europas: Die Zeche Zollverein mit seinem gewaltigen, 55 Meter hohem Förderturm das Wahrzeichen des Ruhrgebiets und der Stadt Essen.
Sie ist als Ganzes Unesco-Welterbe. So ehrwürdig, wie sich das anhört, geht es da aber nicht zu. Im Museum und Hauptgebäude, in das man über schon berühmte, endlos lange Rolltreppen gelangt, gibt es zwar viel Wissenswertes, Führungen und Kunstausstellungen. Aber auch für die Musikveranstaltungen und Events ist die Zeche bekannt. Und inmitten von Kessel, Pumpen, Förderbändern und Leitungen gibt es ein „Werksschwimmbad“, das an Sommer-Sonntagen zum Abhängen und Planschen einlädt. Entlang der Koksöfen und deren Schornsteinen führt im Winter eine 150 Meter lange Eisbahn. Das ganze Areal übt aber auf Kreative aller Art große Anziehung aus. Foto- und Videografen, Künstler und Musiker finden im Ambiente dieses Parks ihren skurrilen, stimmigen oder auch obskuren Hintergrund. Aus dem Staunen kommt man hier jedenfalls so oder so nicht heraus. Die Zeche hat ein sehr eigenes Flair - was man auf dem Areal alles an Kultur- und Freizeitaktivitäten, aber auch spannender Bildung erleben kann, ist sagenhaft.